Château Le Grand Verdus

Die Erwartungen an den Jahrgang waren zuerst nicht besonders gross, da die gemessene Säure nicht so hoch war. Während der Fermentation erhöhte sie sich aber um 30% und schaffte so die perfekte Balance. Inzwischen sprechen Thomas und Edouard von einem herausragenden Jahrgang, der alle Erwartungen mehr als übertroffen hat.Ich kenne die Qualität dieses Weines seit vielen Jahren, trotzdem überrascht er mich immer wieder von neuem. Dieser Duft ist von atemberaubender Schönheit, unglaublich diese Eleganz, diese Komplexität, diese Tiefe. Das ist ein grosser Bordeaux ohne Wenn und Aber, das lässt sich schon aufgrund dieses Duftes erahnen. Die sublime Feinheit der Tannine, die immense Konzentration, die verspielte Leichtigkeit seines Auftretens, das sind alles Attribute eines grossen Bordeaux. Der Wein schmeckt absolut köstlich, geniale Süsse, perfekt auf die rassige, erfrischende Frucht abgestimmt, das ist Hochgenuss schon als Fassprobe, und da schlummert ein immenses Potenzial. Das Ganze ist von eindrücklicher Präzision, das ist eine grosse Persönlichkeit. Auch dieser Wein wird zweifellos jung schon viel Trinkfreude machen, aber das Potenzial ist so riesig, dass er doch einige Jahre brauchen wird, um es voll zu entfalten. Für mich ganz persönlich ist das eine 20-Punkte-Legende, die kräuselnde Gänsehaut auf meinem Rücken unterstreicht das noch.Die Weine, die wir anschliessend zum Nachtessen serviert bekommen, bestätigen meine Einschätzung noch auf ganz andere Weise. Es werden uns blind jeweils zwei Jahrgänge serviert. Im Voraus wird uns nur bekanntgegeben, dass die beiden Jahrgänge jeweils 10 Jahre auseinander liegen. Die erste Serie war 2013 und 2003. Ich hatte auf 2010 und 2000 getippt. Das ist dermassen peinlich, dass ich das eigentlich besser niemandem erzählen sollte. Aber es zeigt deutlich, dass ich diese beiden Weine sogar noch mächtig unterschätzt habe. Niemals hätte ich dem 2013er diese Klasse zugetraut, es gibt in ganz Bordeaux höchstens eine Hand voll Weine, die die Qualität dieses Grand Verdus erreichen. Die geniale Frische hätte ich auch dem 2003er Grand Verdus niemals zugetraut. In der nächsten Serie waren zwei absolut grandiose Weine, der erste noch viel zu jung und der zweite grandios, aber ganz klar auch noch nicht auf seinem Höhepunkt. Diese habe ich denn auch richtig erraten, es war auch nicht schwer. Praktisch alle grossen 2005er-Bordeaux sind schon herrlich zu trinken, haben aber immer noch Potenzial für eine weitere Entwicklung, es war somit ziemlich klar, dass das der 2005er sein musste. Nebenbei erwähnt: Am Mittag haben wir den 2005er Domaine de Chevalier getrunken, auch ein grandioser Wein, aber erstaunlicherweise bereits am Anfang seiner schönsten Genussphase. Der Grand Verdus ist meines Erachtens der grössere Wein. Thomas le Grix de Lasalle ist mit mir einig, dass der 2022er wohl der bisher grösste Grand Verdus ist, also klar eine 20-Punkte-Legende. (mg)